Vorbemerkung:
Der Wert von Parteiprogrammen.
Wahlprogramme der Parteien werden häufig nicht ernst genommen, da sie angeblich sowieso niemand lese oder sie doch in der Regierungspraxis keine Rolle spielten und oft genug nur fromme Wünsche oder leere Versprechungen wären, an die sich nach den Wahlen kaum jemand mehr erinnere. Dies ist nicht ganz falsch. Gleichwohl sind sie von Erkenntniswert zu den aktuell in den Parteien umlaufenden Ideen und Absichten. Der Zeitgeist schlägt sich in ihnen nieder, auch darin, wo Kompromisse gemacht werden oder Unvereinbares miteinander verbunden wird. „Wes Geistes Kind“ eine Partei ist, lässt sich also recht zuverlässig an ihren immer umfangreicheren Programmen erkennen, die auf Parteitagen diskutiert und schließlich mit Mehrheit verabschiedet werden. Trotz vielfacher Überschneidungen lässt sich in jedem Programm eine unterschiedliche Akzentuierung ausmachen. Zentral für die folgenden Bewertungen sind die Haltungen der Parteien zu Freiheit, Eigentum, Marktwirtschaft und Unternehmertum – den entscheidenden Punkten für Familienunternehmer.








Die CDU
Zuhören. Entscheiden. Handeln. Regierungsprogramm der CDU für Nordrhein-Westfalen 2017-2022.(100 Seiten)
Gesamteindruck
Erfreulicherweise spricht dieses Programm an einer Stelle vom „ordnungspolitischen Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft“. Folgen für die konkrete Programmatik hat dies indessen nur wenige. Das Thema Innere Sicherheit ist an die erste Stelle gesetzt und stark akzentuiert. Die Inklusions- und Gleichstellungsideologie hat auch diese konservative Partei erfasst. Ihr Leitbild ist stark paternalistisch und sozialinterventionistisch geprägt. Was reine Privatsache ist und was zu den öffentlichen Agenda gehören sollte, ist in diesem Programm nicht immer leicht auszumachen.
Wirtschaft und Energie
Erfreulich ist die Distanz zum energiepolitischen Ausstiegsfanatismus der „linken“ Parteien. So soll das Landesklimaschutzgesetz aufgehoben, die Energieeinsparverordnung auf drei Jahre ausgesetzt werden. Die Ausstiegszenarien aus der konventionellen Energieerzeugung nehmen auf die Realitäten Rücksicht und legen sich nicht auf Jahreszahlen fest. Weitere Punkte: Es wird die Höhe der Grund- und Grunderwerbssteuer kritisiert. Statt Mietpreisregulierung möchte man mehr Neubauten (privat, öffentlicher Wohnungsbau?). Unverbindliche Dauerbrenner in allen Programmen sind Entbürokratisierung, „Entrümpelung“ (Baurecht), schnellere Genehmigungsverfahren… An einer Stelle – im Verkehrswesen – wird vorsichtig für das ÖPP-Modell Stellung genommen. Dass Digitalisierung wünschenswert ist und Folgen hat, leugnet die CDU so wenig wie die anderen Parteien. Es fallen in diesem Programm auch ständische, marktfremde Elemente auf: so eine dezidierte Stellungnahme für die Handwerksordnung mit ihrem obligatorischen Meisterbrief, auch auf europäischer Ebene (wie auch in den meisten anderen Programmen: die Handwerkslobby arbeitet perfekt), ebenso für die sog. Freien Berufe (Beibehaltung von Fremdkapitalverbot und Kosten- und Gebührenordnungen). Es werden umfassende öffentliche Investitionsprogramme für die Verkehrsinfrastruktur versprochen (ohne Bevorzugung eines Verkehrsträgers). Im Übrigen ein Katalog von kleinen Subventionen für die KMU und Start-Ups ( „Fördergutscheine“ u.ä.), was natürlich ebenso viele Wettbewerbsverzerrungen sind. Immerhin: das Tariftreue- und Vergabegesetz (bei öffentlichen Aufträgen) soll abgeschafft werden.
Haushalt und Finanzen
Hier wird die exzessive Schuldenpolitik der derzeitigen Regierung scharf angegriffen. „Im Jahre 2017 will die rot-grüne Koalition mehr Schulden aufnehmen als alle übrigen Bundesländer zusammen“. Alle Ausgaben und Aufgaben seien einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Man bekennt sich zur Schuldenbremse, die gegen Ausweich-Tricks durch verfassungsrechtliche Festlegungen gesichert werden soll. Steuererhöhungen auf Landesebene werden abgelehnt. Viele Vereine (Sport, Kultur usw.) sollen weiterhin mit den Einnahmen aus dem staatlichen Glücksspiel (!) unterstützt werden. Von Privatisierung ist nirgends mehr die Rede.
Familie, Soziales
Wie bei fast allen anderen Programmen wird ein offizielles Familienleitbild propagiert, das eine weitgehende Entprivatisierung des Familienlebens vorsieht: das politische Ziel einer Arbeitsteilung zwischen vollzeitbeschäftigten Eltern und staatlicher Betreuung der Kinder mit entsprechender „Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erziehern“. Eine Familienförderplanwirtschaft mit kommunalen Familienzentren kommen hinzu. Ein „Frühwarnsystem“ soll Eltern ermitteln, die „ihrer Verantwortung nicht gerecht“ werden. Es wird beklagt, dass nur 28% der Frauen zwischen 15 und 64 Jahren vollzeitbeschäftigt sind. Dagegen wird „zielgerichtete Frauenförderung“ angestrebt. Der modische „Staatsindividualismus“ findet sich auch bei der CDU: die Kinder werden losgelöst aus ihren Familienhaushalten betrachtet („Jedes 4. arme Kind lebt in NRW“). Männer werden ermahnt, stärker als bisher Familienarbeit zu übernehmen (!). Es soll aber weiterhin Wahlfreiheit für die Eltern geben und gönnerhaft heißt es: Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, „verdienen unsere besondere Anerkennung“. Es soll ein „Baukindergeld“ (auf Bundesebene) geben. Randgruppensexualität mit ihren Problemen findet auch im CDU-Programm ihren Niederschlag. Die Gleichstellungspolitik wird positiv erwähnt (das ist mehr als liberale Gleichberechtigung), allerdings ohne bezifferte Quotenregelungen. Auch um die „Senioren“ will sich die CDU bemühen und sich gegen „Altersdiskriminierung“ einsetzen.
Bildungswesen
Das Bildungsprogramm ist strukturkonservativ mit egalitären Akzenten. Eine Einheitsschule wird abgelehnt, ebenso eine verbindliche Ganztagsschule für alle. Inklusion von Behinderten in den Schulen: ja, aber gegen Übereilung. Es sollen gesonderte Fördereinrichtungen erhalten bleiben. Es soll „Inklusionsassistenten“ (wie auch Schulverwaltungsassistenten) geben. „Kein Schüler ohne Abschluss!“ Auch der Ausbildungsmarkt soll „inklusiv“ sein. Im Hochschulbereich wendet man sich gegen die Einengung der Forschungsfreiheit, z.B. durch Verbot von Forschung, die militärisch genutzt werden kann. Das Programm kennt keine besonderen Bildungsideale, es wirbt auch nicht für mehr privates Bildungsunternehmertum oder wenigstens mehr Wettbewerb. Bemerkenswerterweise soll es aber möglich werden, Familiengründung und Studium ohne Nachteile miteinander zu verbinden.
Kultur und „Zusammenhalt“
Die Partei interessiert sich für die „persönliche Kultur jedes einzelnen von uns“. Es soll ein „Kulturgesetzbuch“ geben, das die Einzelheiten einer umfassenden staatlichen Kulturpatronage zusammenfasst. Besonders Kinder und Jugendliche sollen in einem „neuen Theaterpakt“ durch kostenlosen Eintritt begünstigt werden. Besonders auch die staatliche Filmförderung ist im Visier: und zwar bei „barrierefreien“ Standards. Die „Barrierefreiheit“ ist Teil der Inklusionsideologie; bis 2022 soll die Barrierefreiheit im öffentlichen Bereich realisiert sein.
Die Bevölkerung soll zu einem „bewegungsbegeisterten Lebensstil“ motiviert werden. Jedes Kind soll schwimmen können. NRW als „Sportland Nr.1“ wird proklamiert.
Bemerkenswert vom staatsbürgerlichen Standpunkt ist, dass in NRW die Migranten sich zu einer „gemeinsamen Leitkultur“ bekennen sollen, die über bloße Verfassungstreue hinausgeht und auch historisch-politische Inhalte einschließt.
Sonstiges, auch Befremdliches
Gönnerhaft, ja peinlich (weil es die Parteipolitik nichts angeht) ist die „Anerkennung“, „Respektierung“ und Würdigung von einzelnen Gruppen und nützlichen Tätigkeiten: so von ehrenamtlichen Sterbebegleitern, Land- und Forstwirten, Gartenbauern und Fischern, Kleingärtnern und Spätaussiedlern sowie auch Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen. Auffällig ist auch die Protektion der Staatsbeschäftigten, das Bekenntnis zum Berufsbeamtentum, die Sorge um deren Gesundheit: „Für eine erfolgreiche öffentliche Verwaltung sind gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unerlässlich“. Für den öffentlichen Dienst bietet dieses Programm keine innovativen Elemente.
Die FDP
Freie Demokraten Nordrhein-Westfalen.
Landtagswahlprogramm 2017 (49 Seiten)
Gesamteindruck:
Das Programm ist von vergleichsweise angenehmer Kürze. Es ist auffallend ambitiös. Kein anderes Programm ist dermaßen landespatriotisch. Ein Schwerpunkt liegt auf Bildung. NRW soll zum „modernsten Bundesland Deutschlands“, zum „weltbesten“ Bildungsland mit „weltbesten“ Schulen und „weltbesten“ Lehrern werden („Mondfahrprojekt“). Auch bei Innovationen und Erfindungen möchte die FDP für NRW den Spitzenplatz in Deutschland. Die konkrete Programmatik im Bildungsbereich ist durch meritokratische Züge gekennzeichnet und tendiert zum Bundeszentralismus. Besonders liegt der FDP die Gründerszene am Herzen, teilweise mit paternalistischen, teilweise mit liberalen Zügen. Es ist im Ganzen gleichwohl ein wirtschafts- und unternehmerfreundliches Programm (im scharfen Kontrast zum Programm der Linken). Traditionell liberale Elemente wie Privatisierung, Deregulierung, solide Finanzen spielen ihre Rolle. Gesellschaftspolitisch ist das Programm nicht frei von interventionistischen Zügen – im Interesse einer nicht nur formal verstandenen „Chancengleichheit“.
Bildungspolitik:
Die FDP hält am gegliederten Schulsystem fest. Obwohl „Bildung“ ganz im Mittelpunkt steht, werden Bildungsideale nicht formuliert. Es geht offenbar vor allem um nutzbares Wissen für den sozialen Aufstieg. Sie spricht sich für einen Wettbewerb von möglichst autonomen Schulen und Hochschulen aus („Schulfreiheitsgesetz“, „Hochschulfreiheitsgesetz“), allerdings mit zugewiesenen Mitteln (obwohl die Einführung von Studiengebühren möglich sein soll). Sie streitet für dreißig „Talentschulen“. Sie schlägt ein elternunabhängiges „Bafög für alle“ (300 Euro) vor, also Gießkannensozialpolitik mit den üblichen Streueffekten. Bildung sieht sie als „nationale Kernaufgabe“ an und kritisiert den „Flickenteppich“ aus 16 Schulsystemen, also den föderalen Bildungswettbewerb. Sie möchte gemeinsame Bildungsstandards und bundeseinheitliche Abschlussprüfungen. Ein „Berufsabitur“ nach Vorbild der Schweiz soll eingeführt werden. Das private Bildungswesen spielt nur eine Nebenrolle. „Inklusiver“ Schulbetrieb wird nicht vollständig abgelehnt, nur seine Übertreibung. Im Interesse der Aufstiegsbildung wird auch die Ausweitung des Kita-Angebotes gefordert (sogar ein 24-Stunden-Betrieb) und selbst ein „Rechtsanspruch“ auf einen Ganztagsschulplatz. Technische Modernität der Bildungseinrichtungen und -methoden („Digitalisierung“, „digitales Klassenzimmer 4.0“) spielt in diesem Programm, das den technischen Fortschritt betont, eine wichtige Rolle.
Wirtschaftspolitik:
„Privat vor Staat“ – das ist ein sehr wichtiger, deutlich formulierter Grundsatz. Die wünschenswerte Privatisierung im kommunalen Bereich wird betont. Auch die Deregulierung, die Reduzierung von Bürokratie findet ihren gehörigen Platz. Auffällig ist die Förderung nicht von Selbständigkeit an sich als gesellschaftspolitischem Kerngedanken, sondern eine Förderung speziell der Gründerszene (auch über Subventionen wie einem „Gründungsbafög“). NRW soll mit massiver staatlicher Nachhilfe auch „Gründerland Nr. 1“ werden. Ein „bürokratiefreies“ Jahr für Gründer wird verlangt.
Weg mit der Mietpreisbremse! Die Arbeitszeiten sollen flexibilisiert, die Ladenöffnungszeiten liberalisiert werden (auch sonntags). Übertriebener Verbraucherschutz (Rauchverbot, Verbot von Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, Verkaufsverbote zu bestimmten Zeiten, polizeiliche Sperrstunden) sei zu lockern – das einzige Programm mit diesen menschenfreundlichen Anliegen.
Energie/ Umwelt:
Bemerkenswert ist die Forderung nach einer Abschaffung des EEG und des Landes-Klimaschutzgesetzes. Erneuerbare Energien sollen nicht länger subventioniert werden, marktwirtschaftliche Anreize in der Umweltpolitik werden verlangt – wirtschaftsfreundliche Lichtblicke!
Steuern und Finanzen:
Die Konsolidierung der Staatsfinanzen, die Bekämpfung der enormen Verschuldung ist ein für die FDP wichtiger Punkt, „Alles auf den Prüfstand“, Schuldenverbot mit Biss in die Landesverfassung, mehr finanzieller Spielraum für die Bürger (Abmilderung der kalten Progression, Abschaffung des Solidaritätszuschlags, Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer, milde Erbschaftssteuern, einfaches Steuersystem). Keine Vorschläge gibt es freilich zum finanzpolitischen Wettbewerbsföderalismus oder zu einer größeren finanziellen Selbständigkeit der Kommunen (hier wird nur vage von „auskömmlichen Finanzierungsgrundlagen“ gesprochen). Insgesamt ist das steuerpolitische Programm der FDP im Unterschied zum Thema Bildung und Gründung nur wenig ehrgeizig. Es gibt keine Vorschläge zur Finanzierung des umfangreichen Bildungsprogramms. NRW: „Nr.1 auch mit der niedrigsten Steuerbelastung“ – davon ist nicht die Rede.
Gesellschaftspolitik allgemein:
Die Betonung der Familien kollidiert mit dem Wunsch, möglichst faktisch gleiche Bildungschancen zu schaffen, was den Durchgriff des Staates auf die Kinder, auch Kleinstkinder nötig macht. Hier freilich werden nur ausgedehnte staatliche Angebote im Betreuungsbereich verlangt, kein direkter Zwang postuliert. Die Abschaffung nur einer „verschärften“ Frauenquote (nicht eine gänzliche Abschaffung der Quoten) wird versprochen: Randgruppenanliegen und -protektion im sexuellen Bereich finden auch bei der FDP ihren Niederschlag. Sie fordert eine „Verantwortungsgemeinschaft“ als Rechtsinstitut in Ergänzung der traditionellen Familie – was immer das im Einzelnen bedeuten mag. Grundsätze und Programmatik einer freiheitlichen Sozialpolitik fehlen. Wirtschaftsfreundlich ist die sonst kaum noch gehörte Forderung, die Vorverlegung des Einzugs der Sozialversicherungsbeiträge rückgängig zu machen. In der Migrationsfrage fordert die FDP ein die Migration steuerndes Einwanderungsgesetz.
Sonstiges:
Eher kurios in einem Wahlprogramm ist die Forderung nach einem „landesweiten Insekten-Monitoring“ und die Aufforderung zum Kampf gegen die Herkulesstaude (doch wohl eher eine Sache der Naturschutzverbände). Auch die Herabsetzung der Altersgrenze für begleitetes (Auto-)Fahren auf 16 Jahre, die angemahnt wird, erwarten nur wenige in einem solchen Programm. Was den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen betrifft, argumentiert die FDP nicht laizistisch (Trennung von Staat und Kirche), sondern wählt den bequemeren Weg einer Einbeziehung auch eines „flächendeckenden“ Islamunterrichts in deutscher Sprache in die staatlichen Schulen.
Die AFD
Wahlprogramm 2017 der AFD NRW (51 Seiten)
Gesamteindruck:
Das Programm der AfD ist liberalkonservativ geprägt und unterscheidet sich damit besonders gesellschaftspolitisch von den beiden anderen „rechten“ (und natürlich den „linken“) Parteien. In einigen Punkten bietet sie in der Tat eine „Alternative“ zu allen anderen Programmen. Auffällig ist an manchen Stellen eine stärker national-patriotische Akzentuierung („Wir fordern, dass die Landesregierung von NRW auf das deutsche Volk vereidigt wird“). Der Text ist in Thesen gegliedert, was die Analyse erleichtert. Der Umfang ist erträglich (ca. 50 Seiten).
Gesellschaftspolitik:
Hier bietet die AfD eine betonte Alternative zu den Grünen: ausgesprochene Ablehnung des egalitären „Inklusions“-Denkens („ideologischer Irrweg“), für eine „Sexualerziehung ohne Gender-Ideologie“, gegen Quotenregelungen, für eine Abschaffung von Gleichstellungsbeauftragten. Sie schließt eher an überkommene Familienwerte an, auch indem sie statt des Ausbaus von staatsfinanzierten Familienersatzeinrichtungen eine stärkere kompensatorische Finanzierung von privaten Familienaktivitäten fordert (Erziehungsgehalt für Eltern, auch nicht gerade „liberal“). Sie wendet sich gegen eine „Jungen- und Männerbenachteiligung“.
Bildung:
Auch in dieser Hinsicht zeigt diese neue Partei eine antiegalitäre Einstellung: die Auslese nach Leistung wird stark betont, von Einheitsschulen und -Hochschulen ist nicht die Rede, sowenig wie von Kitaausbau. Anstatt des „inklusiven“ Schulunterrichts (mit Eingliederung der „Behinderten“) besteht sie auf leistungshomogenen Lerngruppen. Die Beibehaltung bzw. Wiederherstellung gegliederter Bildungseinrichtungen und traditioneller Universitätsabschlüsse wird gefordert. So gibt es (nur bei ihr) eine Kritik am Bolognastudium mit seinen einheitlichen Bachelor- und Masterabschlüssen. Auch die forcierte Akademisierung der Bevölkerung wird kritisch gesehen.
Wirtschaft:
Bei der AfD handelt es sich um eine überwiegend wirtschafts- und besonders auch mittelstandsfreundliche Partei. So wird die Abschaffung der Vermögens- und Erbschaftssteuer, die Senkung der Grunderwerbssteuer gefordert, ferner eine Aussetzung der Grundsteuer „im Zeitraum des rechtswidrigen Euro-Transfers“. Eine Reduzierung der Lohnnebenkosten erhofft sie sich von einer Reform der sozialen Sicherung, besonders der gesetzlichen Krankenversicherung. Andererseits macht sie Vorschläge zur Begrenzung von Werkverträgen und Leiharbeit (höchstens 15% der Belegschaft). Auch die Haltung der AFD zum gesetzlichen Mindestlohn und zum Freihandel (TTIP), die in diesem Programm keine Rolle spielen, sind kaum marktfreundlich zu nennen.
Die „Manipulation der Arbeitslosenstatistik“ sei zu beenden. Privatisierung ja, aber nicht bei der Wasserversorgung! Sie ist für Subjekt- statt Objektförderung im Wohnungsbau (Wohngeld statt zu 50% fehlbelegten Sozialwohnungen). Der öffentliche Rundfunk soll auf seinen Grundversorgungsauftrag – und ohne Zwangsbeiträge! – zurückgeführt werden. Der Kammerzwang für Kleinbetriebe ist abzuschaffen.
Energiepolitik:
Die AfD will die Klimaschutzpolitik beenden, die Stromsteuer ist ebenso aufzuheben wie das EEG. Keine Subventionierung des E-Autos! Sie nimmt für die Braunkohle Stellung.
Haushalt und Finanzen:
Die Verschuldung des Landes und die Euro-Politik werden scharf kritisiert. Es gibt keine Vorschläge zur generellen Reform der Finanzverfassung. Wohl aber möchte diese Partei einen Straftatbestand der Steuerverschwendung („Haushaltsuntreue“) schaffen.
Migranten:
Die AFD zeigt sich nicht grundsätzlich „ausländerfeindlich“, sondern tritt für eine Einwanderungspolitik nach kanadischem Vorbild ein und wendet sich damit gegen eine „ziellose Integrationspolitik, die unser Land aus dem Gleichgewicht bringt“. Sie verteidigt „unser Wertsystem und die deutsche Leitkultur“. Sie steht für ein strikt angewendetes Asylrecht (mit konsequenter Abschiebungspraxis), für die Transparenz der Asylkosten, ist für die Dublin-III-Verordnung und will für Schutzbedürftige temporären Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention.
Sonstiges:
Die AfD wirbt für einen „allgemeinen Bürgerdienst“ und die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Eine institutionelle Kritik an der EU versteht sich. Sie möchte mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild. Die zukünftige Parlamentsgröße soll von der Wahlbeteiligung abhängen. Öffentliche Gebäude sollen durchgehend beflaggt sein (NRW/Bund/Kommune), auch Schulen und Krankenhäuser. Auch diese Partei zeigt Mitleid mit den „geschredderten“ männlichen Küken und wendet sich gegen die Verwendung von Wildtieren in Zirkussen.
Die SPD
NRW-Plan. Unser Programm für 2017-2022.
(107 Seiten)
Gesamteindruck
„Privat vor Staat- das war gestern. Die Zeit dieses schlanken Staates war kurz und sie ist vorbei. Sie darf nicht wiederkehren, denn wir brauchen gerade jetzt einen handlungsfähigen Staat“. So steht es im Vorspann dieses umfangreichen Dokuments. Freunde von Freiheit, Eigentum, Unternehmertum und Wettbewerb werden an diesem Programm darum wenig Freude haben. Es geht um eine „gerechtere“ Gesellschaft mit viel egalitärer „Inklusion“. Und um sehr viel mehr Umverteilung und sozialer Zwangsversicherung. Man wendet sich an eine „solidarische Mehrheit“. Es gibt nur graduelle Unterschiede zur kollektivistischen Programmatik der „Grünen“ und sogar der „Linken“.
Arbeitsmarkt, Wirtschaft, Energie.
Der „soziale“, also steuerfinanzierte Arbeitsmarkt soll ausgebaut werden. Arbeitnehmerkammern nach dem Vorbild des Saarlandes seien zu errichten. „Fairer Lohn für gute Arbeit“ ist das Ideal. Darum sollen auch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifabschlüssen erleichtert werden. Dunkel wird von einer „Arbeitsversicherung“ gesprochen. Die Mitbestimmung sei auszubauen („Mitbestimmungsland Nr.1 im Hochschulbereich“!). Keine Privatisierung, z.B. in der Wasserversorgung („Wasser ist keine Ware“), auch keine ÖPP-Modelle. Positiv werden der Mittelstand und das Handwerk bewertet, es soll „Innovationsgutscheine“ geben, denn NRW soll das Innovationsland Nr.1 werden. Dazu dienen auch Start-up-Subventionen über einen „Start-up-Pakt“. Keine reinen Verkaufsveranstaltungen an Sonn- und Feiertagen! Die Energiewende muss „sozial gerecht“ gestaltet werden, fossile Energieerzeugung ist ganz zu überwinden. Alle Selbständigen sollen, namentlich was die Vorsorge gegen Krankheit betrifft, zwangssozialversichert werden. Das Programm steht für öffentlichen Wohnungsbau und Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen.
Bildungswesen, Soziales, Kultur.
Egalitärer Bildungsutopismus prägt das Programm. „Beste Bildung für jeden von Anfang an!“(das heißt unabhängig von Familienverhältnissen) und nach dem Leitbild einer „inklusiven Gesellschaft“. Mehr Master-Absolventen! „Abschulen“ in Gymnasien sei abzuschaffen. Auch die SPD ist für „offene Ganztagsschulen“. Dass für sie die Bildung und Betreuung „kostenfrei“ (für die Nutzer) sein soll, versteht sich. Für „Azubis“ soll es ein Anspruch auf 5 Tage Bildungsurlaub im Jahr geben!
Das Ehegattensplitting im Steuerrecht ist zu einem Familiensplitting zu erweitern, wobei der Familienbegriff stark erweitert wird und auch Verhältnisse des „LSBTIQ*“ umfasst. Diese „Vielfalt“ soll sich auch in Abbildungen in Schulbüchern niederschlagen. Jedes Kind solle einen „Kulturrucksack“ haben und das JEKITS -Projekt („Jedem Kind Instrument, Tanzen, Singen“) sei auszubauen. Eine „Familienkarte“ soll den Besuch von Zoo, Museum, Schwimmbäder vergünstigen. Die SPD will Kinder und Jugendliche „ernst nehmen“(!) und ihnen mehr politische Beteiligungsrechte, ein „Jugendparlament“ etwa, einräumen.
Ähnlich wie bei der CDU ist umfassender Kulturpaternalismus angesagt: „Theater und Orchesterpakt“, Förderung von freien Szenen, künstlerischem Nachwuchs, Unterstützung von Jubiläen, so u.a. der 100. Geburtstag von Joseph Beuys im Jahre 2021. Der zwangsbeitragsfinanzierte öffentliche Rundfunk bleibt unangefochten. Zu diesem Spektrum gehört ferner die Sportförderung, natürlich auch über einen „Pakt“. Auch hier geht es um „Inklusion“, zudem muss für „gute Arbeit“ auch im Sport gesorgt werden (sichere Arbeitsverträge für Trainer usw.). Die SPD sorgt sich auch um „Hate Speech“ im Internet, um die Verrohung der Sprache, die politische Radikalisierung und besonders den Rechtsextremismus und „Rassismus“. In das Gesamtbild passt auch der Wunsch nach intensiverem Verbraucherschutz und besserer Schuldnerberatung sowie einer Verschärfung des Unternehmerstrafrechts.
Auch die SPD schlägt viele Maßnahmen zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit vor („Angsträume beseitigen“) und tritt für ein Einwanderungsgesetz und sogar für beschleunigte Ausweisungs- und Abschiebungsverfahren ein.
Haushalt und Finanzen.
Die SPD rühmt sich eines erstmaligen Haushaltsüberschusses seit 1973 (200 Mio Euro) und besserer „Steuergerechtigkeit“ durch (rechtswidrige) Beschaffung geheimer Steuerdaten (2,3 Mrd. Euro an zusätzlichen Einnahmen). Eine „Gemeindewirtschaftssteuer“ soll die Lage der Kommunen verbessern. Die Vermögenssteuer sei wiedereinzuführen. „Megaeinkommen und Megavermögen“ seien stärker zu belasten, „Steuerschlupflöcher“ zu bekämpfen. Auf europäischer Ebene ist sie gegen Steuerwettbewerb, also für ein europäisches Steuerkartell. Die EU „muss sich der Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit endlich annehmen“. Die Haushaltskonsolidierung ist durch „Einnahmenverbesserung“, also Steuererhöhungen zu erreichen.
Zum Schluss.
„NRW ist ein schönes Land. Die Menschen sollen hier gut leben können“- meinen die Verfasser des Programms. So ist auch zu erwähnen, dass das staatliche Lotteriemonopol erhalten bleiben soll und illegales Glücksspiel konsequent zu bekämpfen ist. Im Sinne eines „verantwortungsvollen Glücksspieles“ soll eine „zentrale staatliche und spielformübergreifende Sperrdatei im Sinne des Spielerschutzes“ eingeführt werden.
Die Grünen
Das NRW Wahlprogramm – NACHHALTIG. NATÜRLICH. ÖKOLOGISCH.
(254 Seiten)
Gesamteindruck:
Neben der Linken gehen die Grünen am weitesten in ihrem Anspruch, Wirtschaft und Gesellschaft, Strukturen und Lebensmuster, Rollenbilder und Sitten im Interesse der absoluten ökonomischen Chancengleichheit und Gleichheit überhaupt („Inklusion“) sowie auch ihrer ökologischen Vorstellungen umzuformen. Dies fordert eine umfassende Intervention des Staates in die Zivilgesellschaft, eine weitestgehende Regulierung des Alltagslebens. Der Anspruchskatalog auf Staatsleistungen ist weitgespannt. Dem entspricht der Umfang des Programms: über 250 Seiten. Auf fast allen Gebieten des Lebens wird wo nicht direkt gezwungen und verboten, so doch gefördert, subventioniert, benachteiligt oder bevorteilt, angeboten oder vorenthalten, beraten oder erzogen… Selbst „Obdachlose“ dürfen nicht mindergeschätzt – „abgewertet“ – werden. Alle „Benachteiligten“ und „Opfergruppen“ haben Anspruch auf einen „Nachteilsausgleich“ durch den Staat.
Es handelt sich bei diesem Programm um ein ambitiöses Projekt des sozial-egalitären Rationalismus, den von Hayek auch „Konstruktivismus“ nennt. Er geht von einem „falschen Individualismus“ oder Atomismus aus, welcher nur den isolierten Einzelnen und die Gesamtgesellschaft kennt und alle Zwischengliederungen und Gruppen aus Gründen der Gerechtigkeit oder faktischen Gleichheit schwächen und ausschalten will.
Umweltpolitik:
Diese steht an erster Stelle des Programms und durchzieht auch alle anderen Teile. Sie wird auch als „Gerechtigkeitspolitik“ verstanden. Die vorgeschlagenen Instrumente sind ganz überwiegend Dirigismen: Ge- oder Verbote. Das EEG wird gelobt, 50 „klimagerechte Regionen“ sind zu schaffen, ein Kohleausstiegsgesetz zu verabschieden, „emissionsfreie Mobilität“ im Verkehr soll bis 2030 erreicht sein, der Flächenverbrauch soll auf Null gebracht werden, die Landesverwaltung „klimaneutral“ sein. „Bürger*innenwindparks“, Stromgenossenschaften, „Klimagenossenschaften“, und ein Fracking-Verbot runden das Thema ab.
Naturschutz: in der Jagd u.a. soll der „Einsatz flugunfähig gemachter Enten“ untersagt, Kastrationsprogramme bei Heimtieren sollen finanziell unterstützt werden. Ein Heimtiergesetz ist dringend. „Der undurchsichtige internationale Welpenhandel verlangt Kontrolle“; „Artenschutz bei Neubauten!“ So weit geht das Programm ins Detail! Interessant: die Forderung nach 100 Wildnis-Entwicklungsgebieten, „in denen alle Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik ablaufen können“.
Familie und Kinder:
Im Interesse der Chancengleichheit aller „von Anfang an“ und besonders „benachteiligter“ Kinder und zur Durchsetzung „grüner“ Erziehungsideale sollen „inklusive“ Ganztagskitas und -schulen mit dem Programm „geschlechtersensibler“ Pädagogik und „interkultureller und interreligiöser Kompetenz“ eingerichtet werden. Die Schule als „Lernort gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit“ usw! Sozialpädagogen beraten in besonderen Zentren Familien in Sachen Ernährung und Gesundheit. Auch außerhalb der Kita-Öffnungszeiten sollen Erzieherinnen in den Familienhaushalten tätig sein können. „Gender-Budgeting“ versteht sich. 1 Mrd. Euro für Inklusion! Jedes Kind hat ein Recht auf individuelle Förderung, ja individuelle Lernzeit… Kinderrechte (welche?) ins Grundgesetz! Es soll eine offenbar von der Familie losgelöste „Kindergrundsicherung“ geben. Familienarbeit ist „unbezahlte Care-Arbeit“.
Bildungswesen:
Im Bildungswesen soll die Ökonomisierung der Hochschulen rückgängig gemacht, Studiengebühren ausgeschlossen werden, alle Studenten Zugang zum Master-Abschluss haben (ohne Mindestnote), Lehrstühle für islamische Theologie errichtet, bessere Vereinbarkeit von Promotion und Berufstätigkeit angestrebt werden. „Inklusive“ Ausbildungsstätten, „inklusive“ Sportstätten! Es sollen Ausbildungsplatzabgaben für zentrale Ausbildungsfonds eingeführt werden. Die Grünen kennen aber sympathischerweise noch Bildungsideale.
Wirtschaft allgemein:
Es geht hier besonders um die Umsetzung von Klimagerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Inklusion auch in den Unternehmen. Ein spezielleres Landes-Antidiskriminierungsgesetz ist notwendig. Gegen den Individualverkehr (Auto): Vorrang für Fahrrad und Bahn, null Verkehrstote – hier soll NRW das Land Nr.1 sein! Hier wie überall: gegen Privatisierung, auch gegen ÖPP. Auf Tariftreue ist besonders bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu achten. Der Arbeitsmarkt ist im Übrigen ebenfalls „inklusiv“ zu strukturieren. Die Sharing-Ökonomie wird gelobt. Sympathie genießt besonders das Handwerk und der Kleinbetrieb. Innovationsgutscheine, Kreditgutscheine sollen hier helfen. „Grüne“ Wirtschaftsförderung gibt es auch für „Start-ups“. Das Internet sei Teil der „Daseinsvorsorge“ (muss also wie ein öffentliches Gut behandelt werden). Die Grünen stellen sich gegen die Freihandelsabkommen (TTIP, CETA). „Nur fairer Handel ist freier Handel“. Es gibt keine Vorbehalte gegen die Digitalisierung.
Die Landwirtschaft sei zu „deindustrialisieren“, der kleine Familien-Bio-Bauernhof ist das Ideal. Für Weidegang, gegen ausschließliche Stallhaltung in der Milchviehwirtschaft! Wegwerfverbote für Lebensmittel („nach französischem Vorbild“). Man solle „Lust aufs Land machen“.
Soziales i.e.S., Kultur:
Im Gesundheitswesen ist auf „geschlechtergerechte Versorgung“ zu achten. Das Programm hat eine Vorliebe für kollektive Gesundheitszentren, für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Es meint etwas zu Rollenzuweisungen, Körperbildern und Schönheitsidealen sagen zu müssen, nimmt auch gegen „Kaiserschnitte“ im Geburtsbereich Stellung. „Barrierefreiheit“ – ein grünes Hauptideal – versteht sich im Krankenhauswesen wie überall.
„Gleiche Versorgung für alle!“ „Eine sanktionsfreie (gegen Hart IV!) und armutsfeste Grundsicherung.“, soll es geben. Auch Behinderte haben ein „Recht auf eigene Familie, Partnerwahl und sexuelle Selbstbestimmung“. Besondere Vorliebe gilt hier wie immer der Opfergruppe der „LSBTTI.“ Nicht nur eine Mädchen- und Frauenpolitik, auch eine Jungen- und Männerpolitik (z.B. „Boys Day“) kennt dieses Programm. Kirchen sollen arbeitsrechtlich dem Diskriminierungsverbot unterstellt, Kirchenaustrittsgebühren beseitigt werden. Die „stillen Feiertage“ von Tanzverboten etc. befreit werden.
In Sachen Flüchtlinge treten die Grüne gegen Abschottung nach außen und gegen Abschiebungen, für vollständige Gleichstellung der Migranten mit Deutschen in der sozialen Versorgung und Integration ein. Geld- statt Sachleistungen! Die so ernsten kulturellen und politischen Probleme der Migration werden nicht weiter behandelt.
Steuern und Finanzen:
Ein erfreulich umfangreiches Kapitel, soweit es gegen die Schuldenpolitik argumentiert und die Schuldenbremse verteidigt – „allerdings nicht auf Kosten sozialer und ökologischer Programme“! Die üblichen Neidsteuern (Vermögen- und Erbschaftssteuer) dürfen nicht fehlen. Mehr „Steuergerechtigkeit“ (also schärfere Progression) versteht sich ebenfalls. Es geht um eine „faire Verteilung des Wohlstandes“.
Sonstiges:
Dieses Programm ist besonders reich an Kuriositäten, so z.B.: „Die deutsche Gebärdensprache muss Allgemeingut werden“. Polizeipferde und -hunde seien bei Großveranstaltungen nur zurückhaltend einzusetzen. Die Gefahrenzulage bei Berufsfeuerwehrleuten seien auf deren Ruhegehalt anzurechnen und sie seien von der Ölspurbeseitigung zu entlasten. Tierärztliche Hausapotheken seien zu überprüfen.
Erfreulich ist die Stellungnahme für mehr direkte Demokratie. Das Programm der Grünen ist für Familienunternehmer trotz freundlicher Worte zum Mittelstand keine ernsthafte Option.
Die Linke
Unser Programm zur Landtagswahl 2017.
Für eine Politik, in der die Menschen zählen. Mit uns, für Dich. (ca. 120 Seiten)
Gesamteindruck:
Kein Wahlprogramm ist mehr von etatistischen, interventionistischen und egalitären Zügen geprägt wie das der Linken. Würde dieses Programm voll umgesetzt, bliebe wenig von Privateigentum, individueller Freiheit, Markt und Unternehmertum übrig. Wo nicht direkte Verstaatlichung und Kollektivierung (über den Weg von „Mitbestimmung“/ „Demokratisierung“, „Industriefonds mit kollektivem Belegschaftseigentum“), wäre doch eine umfassende Regulierung des privaten Lebens zu erwarten. Nur wenige und eher unbedeutende Deregulierungen werden gefordert, so die Freigabe von Cannabis, die Lockerung des Friedhofzwanges oder die Aufhebung des Tanzverbotes am Karfreitag. Über Markt und Unternehmertum findet sich kaum ein freundliches Wort. „Neoliberalismus“ und Privatisierung – überhaupt Privatheit – kennzeichnen das Feindbild. Der Egalitarismus geht über traditionell sozialistische Programmatik hinaus. Etliches, besonders der Inklusionsgedanke ist von den „Grünen“ übernommen. Die Linke versteht sich als die Partei der Umverteilung und wirbt für den „Aufbruch zu einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts“.
Wirtschaftspolitik:
Das Programm zeichnet ein düsteres Bild der Lebensverhältnisse in NRW: die soziale Spaltung in Reich und Arm, ja selbst „Verelendung“ der sozial Schwachen schreite voran. Arbeitslosigkeit, geringwertige Beschäftigungsverhältnisse, Verteuerung des Lebens durch Mietpreissteigerungen, ungenügende soziale Sicherung für Hunderttausende (200 000 seien nicht einmal krankenversichert), wachsende „Kinderarmut“ – jedes dritte Kind sei „arm“ (man isoliert Kinder aus ihren familiären Haushalten). Dagegen werden massive öffentliche Investitions- und Sozialprogramme in Aussicht gestellt. Kernpunkte sind Umverteilung („Umfairteilung“) von Arbeit und Arbeitszeit, eine 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, ein Mindestlohn von 12 Euro. Eine Zurückdrängung von Minilohnverhältnissen, Leiharbeit, Werkverträgen werden außerdem gefordert. Auch Befristungen des Arbeitsverhältnisses werden abgelehnt. Die Ladenöffnungszeiten sind wieder stärker zu beschränken.
Ganz zentral ist ein Ausbau der öffentlichen Wirtschaft: die Privatisierungen der letzten Jahrzehnte sollen, namentlich auf kommunaler Ebene, rückgängig gemacht werden – dazu gehören die Wohnungsprivatisierung, die Abfallwirtschaft, die Wasserversorgung, die Krankenhäuser, die ÖPP-Projekte, der Verkehr. Beim Verkehr liegen die Akzente auf öffentlichem Verkehr (Bus und Bahn), eine „Verkehrswende“ wird gefordert. Straßenbau und Individualverkehr (Auto) treten ganz zurück. Dagegen wird das Zu-Fuß-Gehen gelobt. „Der Fußverkehr ist die kostengünstige, energieeffiziente Fortbewegung, aber auch für gesellschaftliches Miteinander und einen gesunden Lebensstil unverzichtbar“. Der ÖPNV-Transport soll „gratis“ („fahrscheinlos“) sein – eine uralte sozialistische Forderung. Und, kaum glaublich, die Wirtschaft soll insgesamt von der Export- auf eine Binnenmarktorientierung umgestellt werden, eine scharfe Wendung gegen den internationalen Freihandel. Was Digitalisierung bedeutet, wird nur am Rande behandelt, „freies Internet“ versteht sich.
In der Energiewirtschaft wird voll auf alternative Energien gesetzt. Umwelt- oder Naturschutz spielen eine Rolle, wobei auch in diesem Programm das „Schreddern“ von männlichen Küken thematisiert wird; Treib- und Drückjagden seien zu verbieten. Der Tourismus soll „sozial gerecht, barrierefrei, ökologisch, sanft und ressourcenschonend“ sein.
Sozialpolitik:
Bei der Linken ist auch die Wirtschaftspolitik eigentlich Sozialpolitik. Im engeren Sinn Sozialpolitik ist die geforderte Einheitssozialversicherung für alle im Bereich der Alters- und Krankheitsvorsorge, also insoweit eine Sozialisierung der privaten Vorsorgeformen inkl. der privaten Beihilfe für Beamte. Die Sozialleistungen sind umfassend auszuweiten. Die „staatlich verordnete Armut“, womit die Arbeitslosenunterstützung von „Hartz IV“ gemeint ist, ist abzuschaffen. Senkung des Renteneintrittsalters (auf 60 Jahre) und Rentenerhöhung (mit Plafondierung nach unten, die allen Rentnern ein „gutes Leben“ sichert), sind ebenfalls im Programm. Auch die Lage der Kinder ist zu verbessern (Erhöhung des Kindergeldes auf 300 Euro) und die Unterstützung von „Alleinerziehenden“ (auch hier schlägt sich die Familienfeindschaft der Linken nieder, da diese Subvention die wünschenswerte Atomisierung der Gesellschaft fördert). Eine „bedürfnisgerechte“ Bestattung gehört auch dazu. Eine gesetzliche Frauenquote von 50% ist selbstverständlich. „Energiesperren“ (in der Haushaltsversorgung) soll es nicht mehr geben, ein freies „Grundkontingent“ für alle ist das Ziel.
Minderheitenprogramme:
Wie bei den Grünen und z.T. auch den anderen Parteien legen die Linken ein besonderes Gewicht auf die materielle Förderung und gleiche soziale Wertschätzung („Akzeptanz“) von „benachteiligten Minderheiten“. Dem dient die Inklusion: Niemand soll wegen besonderer Merkmale ausgegrenzt werden dürfen. Dies betrifft zunächst die „Behinderten“, denen eine Art Rechtsanspruch auf „Barrierefreiheit“ im öffentlichen Einrichtungen und Inklusion in Regelschulen zuerkannt wird. Für alle sexuellen Orientierungen (Schwule, Lesben, Bisexuelle, Intersexuelle und Transgender), ist nicht nur Gleichberechtigung, sondern auch Gleichstellung und soziale Akzeptanz zu fordern. So ist der Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie auszubauen, ein Bildungsplan für sexuelle Vielfalt zu entwickeln und „Queerpolitik als Querschnittsaufgabe wahrzunehmen“. Auch ein interdisziplinäres Universitätsinstitut mit Archiv zur Erforschung „queerer“ Lebensweisen ist zu errichten. Die Orthographie dieses Programms ist bereits wie das der Grünen an „queere“, geschlechtsneutrale Schreibweise angepasst (mit*). Hinter all dem steckt ein Ideal absoluter Gleichheit, die mit Gerechtigkeit gleichgesetzt wird.
Migration:
Flüchtlinge sind ohne Einschränkung willkommen zu heißen, die Abschottungspolitik ist zu beenden, die Integration und Inklusion mit staatlichen Programmen zu fördern. Einschränkungen des Asylrechts sind rückgängig zu machen, die „menschenunwürdige Abschiebepraxis“ ist zu unterlassen, ebenso die „Diskriminierung der Flüchtlinge im Sozialrecht“: Abschaffung von Residenzpflicht und Arbeitsverbot, Arbeitslosengeld II vom ersten Tag an, Bargeld statt Sachleistungen. Im Ganzen: gegen „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“.
Bildungspolitik:
Meritokratisches Leistungsdenken (wie im FDP-Programm) spielt keine Rolle, im Gegenteil. Eliteförderung (etwa bei Universitäten) wird abgelehnt. Es geht um gute Bildung „für alle“. Der Einheitssozialversicherung entspricht das Ideal der Einheitsganztagsschule, in der das „Sitzenbleiben“ („nur auf Antrag“) und die Notenbewertung abgeschafft sind. („Gebührenfreie“) Kitas sind auszubauen, die private Tagespflege zurückzudrängen. Staatliche Inspektoren sollen die betriebliche Ausbildung überwachen. Werbung für die Bundeswehr habe in einer Schule nichts verloren, die auf Friedenserziehung ausgeht. 9000 zusätzliche Lehrer sind allein für die Verwirklichung des Inklusionsideals für Behinderte einzustellen. Weiterbildung (ein noch weitgehender privater Bereich) ist vermehrt öffentlich zu organisieren, etwa über die Volkshochschulen.
Finanz- und Steuerpolitik:
Die öffentlichen Schulden spielen keine Rolle, es gibt kein Konsolidierungsprogramm für den Staatshaushalt. Im Gegenteil: die Schuldenbremse sei aufzuheben. Dieses Programm fordert umfassende zusätzliche öffentliche Ausgaben, deren Höhe jedoch nirgends quantifiziert ist. Finanziert werden sollen diese Programme wohl vor allem über „Umfairteilung“, das heißt die Schröpfung der sog. „Reichen“: „Wer den Reichen nichts nimmt, kann den Armen nichts geben“. So ist eine spezielle Millionärsteuer einzuführen, denn 124 der 500 reichsten Deutschen leben in NRW; die spezielle (niedrige) Abgeltungssteuer für Kapitalerträge ist abzuschaffen. In der Rentenversicherung ist die Plafondierung der Beiträge nach oben (Beitragsbemessungsgrenze) zu beseitigen. Es gibt keine Vorschläge, das Land oder die Kommunen über eine eigene Steuerhoheit zu stärken. Aber: Kommunen seien zu entschulden. Im Unterschied zu den anderen Parteien verbietet sich diese Partei, seit jeher universalistisch orientiert, jeden NRW-Patriotismus.
Bemerkenswertes zur Inneren Sicherheit:
Hier vertritt die Linke eine Art pazifistischer Abrüstung der Polizei, deren Einsätze mit großem Misstrauen betrachtet werden: weniger Kameraüberwachung, keine „Bodycams“, Verbot des Einsatzes von Pfefferspray, Abschaffung von Wasserwerfern, Aufhebung des Vermummungsverbotes, auch der Rasterfahndung, Abschaffung auch von Verfassungsschutz und Geheimdienst. Die Arbeit der Polizei wird auch durch politische Überwachung (Schaffung eines Polizeibeauftragten als Monitoring-Stelle beim Landtag u.a.) möglichst erschwert.
Zum Schluss:
Eine vergleichende Einschätzung der Wahlprogramme
Die „Linke“ geht am weitesten in eine eigentums- und marktfeindliche Richtung, gefolgt von den Grünen und der SPD. Unter den sog. bürgerlichen Parteien bieten am ehesten FDP und AfD ein wirtschafts- und, was die AfD betrifft, auch familienfreundliches Programm. Die konservative CDU macht erhebliche Zugeständnisse an egalitäre Zeitgeistströmungen. Freiheit oder Gleichheit – das ist in allen Parteien die Kernfrage. Parteien, die „Inklusion“, „soziale Gerechtigkeit“, Chancengleichheit als „Gleichstellung“ (anstelle von Gleichberechtigung), Umverteilung und Staatsversorgung oder ein Denken in Rechtsansprüchen betonen, stehen liberal-marktwirtschaftlichem Denken mehr oder weniger fern und sind für Freunde selbständigen Unternehmertums keine attraktive Option.